Aufstieg zur Fuorcla Pischa
Um 6 Uhr wache ich auf. Es ist noch kalt draußen und oben über den Fuorcla Pischa Pass ziehen Nebelschwaden ins Tal. Ich murmel mich noch einmal in meinen Schlafsack und döse etwas weiter. Gegen 8 Uhr ist der Wolkennebel verschwunden, aber auch der blaue Himmel. Ich frühstücke und packe ein. Es wird ein später Start.
Der Bergwanderweg führt weiter über Wiesen. Nach rund 100 Höhenmetern erreiche ich ein größeres Plateau, welches ich mir bei der Planung als möglichen Übernachtungsplatz herausgesucht hatte. Ein junger Mann kommt mir mit Siebenmeilenschritt entgegen, der feuchte Schlafsack hängt zum Trocknen über dem Rucksack. Ein kurzer Gruß und schon ist er verschwunden.
Wenig später führt der Weg ins Geröllfeld. Beim Aufstieg auf die Geröllzunge schwant mir ein beschwerlicher Aufstieg, aber zum Glück bewahrheitet sich das Gefühl nicht. Der Weg führt im Zickzack um die größten Erhebungen herum. Eine Frau mit Hund kommt mir entgegen und sie verschwindet immer wieder hinter den Hügeln. Schließlich steht sie vor mir und macht mir Mut, dass es nicht mehr weit sei. Sehe ich schon so fertig aus? Von hinten werde ich von einem Bergläufer überholt. Er scheint mehrmals den Weg zu verlieren, zeigt mir aber den Aufstieg zum Pass gut an.
Ich passiere alte verrottete Holzbalken, die wohl mal eine kleine Schutzhütte waren. Eine kurze Betontreppe führt unweit in den Himmel. Moose und Flechten und die ersten Blumen wachsen hier zwischen den Steinen. Es weht ein kalter Wind über den Pass und so ist es mit Windbreacker zu warm und ohne zu kalt. Zu allem Überfluss fängt es an zu nieseln. Dafür ist der Piz Ela wolkenfrei und wird von der Sonne angestrahlt. Die letzten Meter bis zur Passhöhe sind etwas steiler und der Weg führt über lockeres Gestein. Nach zwei Stunden stehe ich auf dem Pass Fuorcla Pischa. Der höchste Punkt meiner Tour ist erreicht.
Abstieg zur Fuorcla Gualdauna
Vor mir liegt das Val d' Es-cha. Es führt hinab ins Inntal. Der Bergwanderweg führt am Piz Cotschen entlang Richtung Chamanna d'Es-scha. Da immer noch ein recht kalter Wind weht, beginne ich mit dem seichten Abstieg. Auch auf dieser Seite ist es geröllig. An einer Stelle haben sich Wanderer ausgetobt und mit den flachen Steinen bizarre Steinmännchen erreichtet. Ein Wald aus Kunstwerken ist so entstanden und der Weg führt im Zickzack hindurch. An einer Felsrippe entlang wird das Gelände steiler um wenig später die ersten Grasflächen zu erreichen. Hier bilden einige kleine Bäche die Ova Pischa. Zeit für eine Mittagspause. Etwas windgeschützt und in der Sonne packe ich meinen Kocher aus. Ich habe noch die volle Auswahl und entscheide mich für Instantnudeln. Weiter unten grasen die ersten Kühe. Die nächsten beiden Tage soll das Wetter schlechter werden und überwiegend regnen. Ein Blick auf die Karte verspricht mir Schwierigkeiten bei der Zeltplatzsuche, denn ich muss ab nun mit Kühen rechnen. Und das dürfte auch im Albulatal so sein. Mein Blick fällt wieder auf die Bushaltestelle. Oder doch lieber schon nach Hause?
Ich packe ein und wandere weiter. Es dauert nicht lange und der Abstieg zum Hüttenweg beginnt. Auf diesem ist reger Betrieb und die Tageswanderer zieht es zurück über den Pass Fuorcla Gualdauna zum Albulatal. Rund 100 Höhenmeter geht es steiler nach unten, dann stehe ich um viertel vor zwei auf dem Wanderweg zur Hütte. Das Knie schmerzt wieder und langsam ziehen dunkle Wolken auf. Der Piz Bernina ist bereits von Wolken verdeckt. Ich schlage den Weg zum Albulatal ein. Dieser führt auf der Höhenlinie entlang und so komme ich schnell voran. Ich quere wieder die Ova Pischa und erreiche schneller als gedacht den Pass Fuorcla Gualdauna. Noch an den Kühen vorbei und ich kann durch das Albulatal zum Albulapass blicken. Dahinter ist der Einstieg zu den Seen Lais digl Crap Alv zu erahnen. Meine geplante Route würde dort entlang und weiter zum Bahnhof nach Spinas führen.
Albulatal
Ich steige weiter ab. Über die Wiesen der Alps d' Alvra führt der Weg am Hang entlang langsam abwärts. An einem Bach huscht ein Hermelin über den Weg. Kaum ist er verschwunden, taucht er auf einem großen Stein auf und schaut mich interessiert an. Er läuft hin und her, versteckt sich und schaut an anderer Stelle vorwitzig hervor. Vom kleineren Mauswiesel lässt er sich ganz einfach durch die schwarze Schwanzspitze unterscheiden. Weitere Wanderer kommen dazu und wir beobachten das flinke Tier bis es bergauf läuft und verschwindet. Nächster Stop sind Murmeltiere, welche aber deutlich einfacher zu fotografieren sind. Während die österreichische Familie noch weiter die putzigen Alpbewohner beobachtet gehe ich zum Parkplatz Es-cha, an dem sich auch die Haltestelle La Punt befindet. Nach 600 Meter abwärts mag mein Knie nicht mehr weiter abwärts gehen.
An der Bushaltestelle stehe ich vor dem nächsten Problem. BusAlpin fährt hier und die Reservierung ist obligatorisch mindestens eine Stunde vor Abfahrt. Nach Preda reicht es nicht mehr, aber in die andere Richtung nach Chamues-ch sind es noch fast 2 Stunden. Die Österreichisch-Schweizer Familie kommt nun ebenfalls zum Parkplatz. Sie sind mit zwei Autos da und so frage ich sie, ob sie mich mitnehmen können. Sie können und sind sogar so freundlich und fahren mich extra nach Preda. Nur mein Trinkgeld wollen sie nicht nehmen. Der Bahnhof ist etwas versteckt hinter der Großbaustelle für den neuen Albulatunnel. Um 16:29 fährt der Zug nach Chur ein und bringt mich nach Hause. Die nächsten zwei Tage ruhe ich meine Knie aus. In Bergen herrscht Starkregen vor. Alles richtig gemacht.