Morgenstimmung am Lai da Ravais-ch-Sur
Um 3 Uhr Nachts muss ich meinen Tee wegbringen. Ich krabbel aus dem Zelt. Der Himmel ist bedeckt, aber es ist trocken und sieht auch nicht nach Regen aus. Drei Stunden später überwiegt der blaue Himmel über dem Piz Müsella. Um 7 Uhr frühstücke ich und packe dabei. Ohne Sonne ist es noch recht frisch. Das Zelt ist noch feucht und so gehe ich noch einmal zum See Lai da Ravais-ch Sur und bewundere die schönen Wasserspiegelungen am windstillen Morgen. Ich stehe an einer Wasserscheide, denn das Wasser des Lai da Ravais-ch Suot fließt in die Nordsee, während der weiter oben liegende Lai da Ravais-ch Su ins Schwarze Meer mündet. Auf den Abstieg zum Lai da Ravais-ch Suot verzichte ich. Ein langer Tag steht mir bevor. Schnell noch das Zelt einpacken und ich kann loswandern.
Durch das Val dal Tschüvel zur Kesch-Hütte
Es geht wieder am Flüsschen Ova Sartiv entlang zurück zum Kesch-Trek. Das Val Sartiv liegt bereits in der Sonne und ich habe freien Blick auf den Gletscher Vadret da Porchabella am Piz Kesch. Ein älterer Herr kommt mir entgegen. Er ist recht gesprächig und so unterhalten wir uns etwas. Ob ich denn keine Angst vor Wölfen hätte. Auf meinen Hinweis, dass es die hier schon gäbe, ich aber nicht zum Beuteschema passe, wirkt er nicht sehr beruhigt.
Weitere Wanderer mit Mehrtagesrucksack kommen mir entgegen und auch viele Mountainbiker sind unterwegs. Zurück am Val Funtauna, quere ich nun den Ova Sartiv und biege ins Val dal Tschüvel ein. Am Hang lang führt der Bergwanderweg auf gleicher Höhe bis er auf den Talgrund trifft. Ab nun heißt es ansteigen denn bis zur Kesch-Hütte auf dem Pass Fuorcla Da Funtauna sind noch 230 Höhenmeter zu überwinden. Erst langsam steigend endet es schließlich in einen steileren Schluss. Die ganze Zeit habe ich einen schönen Blick auf dem Gletscher. Über ihn führt eine Gletscherroute zur Es-cha-Hütte auf der Südseite des Piz Kesch.
Gegen halb zwölf erreiche ich die Kesch-Hütte. Wie gewöhnlich trinke ich einen halben Liter erfrischenden Sure Most und dazu gibt es heute Gams-Salsiz mit Brot. Bisher hatte ich die Graubündener Spezialität nur aus Schweine- und Rindfleisch, aber diese Variante ruft nach einer Wiederholung. Einfach lecker und das liegt nicht nur an der frischen Luft.
Abstieg zur Alp digl Chants
Den Abstieg zur Alp digl Chants muss ich mir mit Moutainbikern teilen, denn der Weg ist Teil des ausgeschilderten Graubünden Bike-Tails. Stetig geht es bergab. Ich quere den rauschenden Gletscherfluss Ava da Salect. Einige Tageswanderer kommen mir in der Mittagssonne entgegen. Hin und wieder kommt von oben ein Mountainbiker herunter. Bei Schegvel taucht der geröllige Weg in den Wald ein. Nun kommen häufiger Mountainbiker von hinten und durch die Bäume kann ich sie auch nicht mehr frühzeitig sehen. Meistens höre ich zuerst das laute Bremsen und Rutschen hinter mir. Alles andere als angenehm. Nur zwei Biker höre ich anhand eines Glöckchens von weiten und kann entsprechend ausweichen. Sie gehören auch zu den wenigen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie das Bike beherrschen und nicht anders herum. Als ich endlich die Straße Alp digl Chants erreiche bin ich froh heil angekommen zu sein. Es ist 14 Uhr und recht warm. Das Knie mag nicht mehr bergab gehen. Wie gut, dass es heute nur noch in der Ebene oder aufwärts geht.
Durch das Val Plazbi nach As-cha
Ich folge der Straße zur Alp digl Chants und weiter ins Val Plazbi. An der Alp digl Chants gibt es Milchprodukte zu kaufen. Das erste Stück ist noch asphaltiert, geht dann recht bald in einen Fahrweg über. An kleinen Seen vorbei führt der Weg am Talgrund am Ufer der Ava Da Plazbi entlang. Es ist recht steinig hier und Vieh steht auf den Weiden. Am Wegesrand gibt es eine Quelle mit Bank und ich fülle meine Trinkflasche mit dem kühlen nass auf. Zeit für eine kleine Pause.
Um 15 Uhr erreiche ich die Gebäude der Alp Plazbi. Der Stall steht offen und verspricht mir Kühe für den Nachmittag. Der Fahrweg ist nun zu Ende und der Wanderweg führt gut markiert über die Wiesen. Nach rund einen Kilometer beginnt der Anstieg zum Pass Fuorcla Pischa auf 2867m Höhe. Viel weiter geht es auch nicht mehr, denn der Piz Üertsch markiert hier das Talende. Zu seinem Fuße Grasen Kühe und ich hoffe, das es weiter oben keine gibt. Der Bergwanderweg sieht steil aus, aber die Steigung ist gut zu gehen. Reife Blaubeeren warten darauf gepflückt zu werden und ich kann nicht widerstehen.
Ich quäle mich den Hang hinauf und bin froh, als ich das 260 Meter höher gelegene As-cha erreiche. Es gibt keine Kühe hier oben und dafür genug ebene Flächen, das ich etwas für mein Zelt finden sollte. An einer Stelle sehe ich frisch umgelegte Gras, aber auf der Stelle passt das Zelt nur quer zum Wind und das ist alles andere als gut bei meinem Tunnelzelt. Ein paar Meter weiter werde ich fündig. Ich stelle mein Zelt auf Heidekraut mit tollem Blick bis ins Val Tuors auf. Ich muss noch einmal ein paar Höhenmeter absteigen, um frisches Wasser aus dem Bach zu holen. Drei Liter bekomme ich in meine beiden Platypusbeutel. Das ist mehr als genug. Rund 400 Höhenmeter sind es morgen bis zum Pass Fuorcla Pischa auf 2871 m Höhe. Ich gönne mir eine Blaubeersuppe während unten im Tal die Kühe gerufen werden. Diese wollen aber partout nicht in den Stall und so muss die Älplerin das ganze Tal entlang bis zu ihnen hoch laufen.
Vor dem Abendessen genieße ich die Aussicht auf den Piz Blaisun und Piz Üertsch im Süden. Das Tal entlang nach Norden kann ich bis zum Piz Platta Roggia sehen. Weiter rechts davon liegen die Gipfel Piz Crealetsch, Piz Ravigliel, Ducan Daor, Ducan Pitschen und Piz Ducan. Ich habe langsam Hunger und nach einem langen Tag sind Spaghetti genau das Richtige.
Kesch-Hütte
Lage: Val Grialetsch 46°38'42" N, 9°52'30" E
Öffungszeit: Februar bis Mai und Juni bis Oktober.
Anzahl Betten: 92
Betreiber: Kesch-Hütte
11.2020