Auf den Jöriflesspass
In der Nacht hört der Regen auf. Als ich morgens um 7 Uhr aus dem Zelt schaue, lacht mich blauer Himmel an. Es dauert allerdings noch, bis die Sonne mein Zelt erreicht und so döse ich noch etwas. Als ich frühstücke passieren zwei Wanderer mit schwerem Gepäck mein Zelt. Sie haben wohl bei dem Gewitter weiter oben übernachtet. Ich hätte nicht tauschen wollen.
Um halb neun breche ich auf. Der Wanderweg zum Jöriflesspass führt seitlich von der Steilwand hinauf ins Tal Tantermozza-Fless. Nach dem ersten steilen Stück geht es gemächlicher über Wiesen in Richtung Pass. Eine Kuhherde, von der wohl die Fladen auf meinen Übernachtungsplatz stammen, hat sich nach hier oben zurückgezogen. Die Steigung ist genau richtig für mich und so stehe ich nach 1,5 Stunden am Schild des Jörisflesspass auf 2561m. Die ersten 300 Höhenmeter sind geschafft. Vor mir liegt der See auf P 2556. In der Ferne sehe ich das Jörihorn mit der Jöriflüelafürgga. Da will ich wirklich nachher noch rüber? Sieht ganz schön steil aus. Ich habe jetzt schon Respekt vorm Aufstieg. Vorher stehen aber als Highlight des Tages die Jöriseen an.
Zu den farbenfrohen Jöriseen
Am Jöribach entlang gehe ich nun zu dem ersten der Jöriseen. Die Hauptseen sind als alpines Auengebiet eingestuft, da sie zum Gletschervorfeld des Jörigletscher gehören. Tief blau schimmert das klare Wasser. Ich folge dem Wanderweg am Ufer entlang ans andere Seeende des oberen Sees (2518 m). Hier treffe ich auf die ersten Wanderer mit Tagesrucksack, die über die Winterlücke gekommen sind. Große Geröllflächen breiten sich unterhalb des Jörigletschers aus und sind der Grund weshalb ich die Jöriflüelafürgga in der Tourplanung für den Übergang wählte. Es erscheint mir beim Anblick der Gesteinswüste keine falsche Entscheidung zu sein.
Der Wanderweg führt nun über eine Kuppe und ermöglicht so einen schönen Blick über den nächsten See. In diesen fließt nicht nur das klare Wasser des Jöribachs, sondern auch vom milchigen Gletscherwasser. Dies führt zu Pastelltönen in den Bereichen, wo sich die beiden Wasser vermischen. Unten am Bach rennen Murmeltiere um die Wette. Mit so frühen Besuchern haben sie wohl nicht gerechnet.
Oben auf der Kuppe zweigt der Wanderweg durch das Jörital zum Vereina Berghaus ab. Drei Damen kommen gerade den steilen Anstieg herauf und haben ab nun denselben Weg wie ich. Ich quere den Seeabfluss, der als Jöribach über eine Steilwand ins Tal fließt. Das Wasser ist klar, aber bei all den Menschen und badenden Hunden mag ich meine Trinkflasche nicht damit auffüllen.
Ich gehe weiter zum letzten kleinen See P 2494. Nördlich davon finde ich einen Bach, der den Berg hinab fließt. Zeit für eine Pause. Ich setze mich in die Sonne und packe den Kocher aus. Vor dem Anstieg zum Pass Jöriflüelafürgga gibt es Instand-Nudeln und Tee zur Stärkung. Dazu strecke ich meine Beine aus und genieße die Sonne. Das kleine Gebiet nördlich des Sees hatte ich mir als möglichen Übernachtungsplatz ausgeguckt, aber das Gewitter gestern hätte ich hier nicht erleben mögen. Die ebenen Flächen sind noch feucht oder uneben. Nun liege ich hinter meinem Zeitplan zurück und schaue auf die Karte. Von hier wollte ich über den Flüelapass Richtung unteres Radönt-Tal. Das erscheint mir für heute viel zu weit. Ich beschließe es am See P 2548 auf der anderen Seite des zum Jöriflüelafurgga zu versuchen. Beim Abstieg nach Wägerhütta komme ich zwar nicht direkt daran vorbei, aber der Umweg könnte sich lohnen.
Über die Jöriflüelafurgga ins Flüelatal
Nach einer Stunde packe ich ein. Der 200-Meter-Anstieg zur Jöriflüelafurgga steht an. Die Rundwanderung von Wägerhütta zu den Jöriseen ist beliebt und es sind bei dem schönen Wetter viele Wanderer unterwegs, die ebenfalls über die Jöriflüelafurgga ins Flüelatal wandern. Ich warte noch eine Familie ab und beginne mit dem Aufstieg. Ich hätte lieber noch etwas länger warten sollen, denn ich bin mit meinem großen Rucksack nicht langsamer. Alle paar Meter machen sie ein Selfie mit den schönen Seen und das kostet natürlich Zeit. Um ein Foto der schönen Seen ohne posierende Wanderer machen zu können, setze ich mich schliesslich auf einen Stein und warte ab bis sie vorbei sind. Wirklich los bin ich sie nicht, denn sie machen wenig später natürlich auch eine Pause. Inzwischen hat der Rückstrom eingesetzt. Einige Wanderer sind mit Hüttengepäck unterwegs. Schritt für Schritt steigen wir zusammen auf. Nur wenige kommen uns entgegen.
Kurz vor dem Pass gibt es ein exponiertes Steilstück, welches mit einer Kette gesichert ist. An der Engstelle kann nur einer gehen und als ich mitten drin bin, kommt mir eine Frau entgegen. Ihr ist deutlich unwohl und ich schaffe es trotz meines grossen Rucksacks sie vorbeizulassen.
Bevor der filmende Ehemann ebenfalls einsteigt, klettere ich weiter das Felsband entlang. Angenehm ist mir die Stelle auch nicht. Der Rucksack sitzt zwar gut, aber der Schwerpunkt ist natürlich ungünstig verändert. Richtig Freude kommt aber auf, als ein junges Paar von hinten drängelt. Oben stoße ich mit dem Rucksack am Felsen an, aber ich schaffe es sie vorbeizulassen. Ein paar Meter weiter am Jöriflüelafurgga Pass haben sie dann Zeit die Aussicht zu genießen. Ich kann mir eine Bemerkung nicht verkneifen. Ein letzter Blick zurück zu den türkisfarbenen Jöriseen, dann widme ich mich der anderen Seite.
Unter mir liegt das Flüelatal. Quellwolken ziehen wieder auf. Das Schwarzhorn macht seinen Namen alle Ehre. Direkt unter mir erspähe ich den See P 2548. In südlicher Richtung kann ich den Lai da la Scotta erkennen, der am Flüelapass liegt. Der Bergweg führt auf gleicher Höhe am Jörihorn entlang. Vorbei an einem verschlossenen Stollen und den Resten eines Gebäudes ändert der Weg in einer großen Schleife seine Richtung und geht schließlich abwärts. Eine große Fläche lädt mich ein schon hier das Zelt aufzubauen, aber neben dem fehlenden Wasser ist es mir zu sehr auf dem Präsentierteller. Ich gehe also weiter. Das Knie schmerzt. Als der Wanderweg einen Rinnsal quert, folge ich dem Wasserlauf ins offene Gelände. Es liegen viele Steine herum und zudem ist es recht uneben. Schließlich lande ich am See und finde nahe Punkt 2561 einen ebenen, geschützten Platz für die Nacht.
Ich baue das Zelt auf und hole Trinkwasser vom Rinnsal. Dabei statte ich dem See noch einen Besuch ab. Kurz nach 16 Uhr beginnt wieder das Gewitter. Dunkles Grollen kündigt es an, aber diesmal bleibe ich verschont. Es regnet kräftig, aber bei Cappuccino und Nussstängli lässt es sich im Zelt aushalten.