Aufstieg zum Vereinapass
Früh am Morgen ist es klamm im Zelt und so drehe ich mich noch einmal um. Kurz vor 8 Uhr stehe ich auf. Das Zelt steht immer noch im Schatten, aber blauer Himmel verspricht einen guten Tag. Im Süden sieht es dagegen düsterer aus. Ich frühstücke und packe zusammen. Zum Vereinapass muss ich das Val Saglians weiter hoch gehen. Vor mir türmt sich eine Geröllhalde auf, die aber einfach am Flussufer umgangen werden kann. Oben auf 2350 Meter öffnet sich vor mir eine kleine Ebene. Das Gras steht etwas hoch, da offensichtlich kein Vieh hier die Landschaft pflegt. Bis hierher wollte ich gestern eigentlich kommen. Wirklich besser gefallen tut es mir nicht als mein gestriger Lagerplatz. Am Ende der Ebene gibt es die Abzweigung zum Fuorcla da Glims und weiter zur Chamonna dal Linard CAS. Ein Holzsteg führt über den Fluss.
Für mich geht es auf der westlichen Seite weiter flussaufwärts über geschütztes alpines Auengebiet. Schritt für Schritt komme ich den Plattenhörnern näher. Schließlich schwenkt der Wanderweg nach Westen und steigt an. Rund 160 Höhenmeter sind es nun noch bis zum Vereinapass (Pass d'Ivraina). Während es unten noch über Grasssoden geht, wird es mit jedem Höhenmeter steiniger und meine Schritte schwerer. Mir fehlt die Energie. Ein junger Mann mit Tagesgepäck rauscht an mir vorbei. Dann kommt noch ein Schneefeld und schließlich stehe ich am Schild: Pass dal Vereina 2585m. Vor mir liegt ein kleiner See und eine Umgebung wie eine Kiesgrube. Weiter oben grasen Kühe auf einer Kuppe. Hinter mir erhebt sich der Piz Linard dramatisch. Er ist mit 3410 Meter der höchste Berg der Silvrettagruppe und des Unterengadins. Zeit für eine verdiente Pause.
Während ich etwas esse, höre ich Stimmen, sehe aber keine anderen Wanderer. Es dauert bis ich die Personen entdecke. Die Kühe sind nicht mehr alleine und sollen ins Tal, aber wollen lieber weiter grasen. Schließlich bewegen sie sich in Richtung Pass da Fless.
Abstieg zum Pass da Fless
Auch für mich geht es weiter zum Flesspass. Der Wanderweg führt an der Nordflanke des Piz Fless entlang. Ich passiere den kleinen See am Pass und überwinde eine Graskuppe. Die Kühe sind verschwunden und auch der Klang ihrer Glocken ist verstummt. Der Wanderweg führt nun über feines Geröll an der Flanke eines Hügels entlang. Es ist wegen der Schrägung mühsam zu gehen und ich bin froh als das Stück überwunden ist und ich den Fuß wieder gerade aufsetzen kann. Ich kann nun bis zum Pass da Fless schauen. An den Seen dort befinden sich nun die Kühe vom Vereinpass. Ich lege deshalb meine Mittagspause kurz vorher ein, wo ich Trinkwasser finde. Ich esse eine Kartoffelsuppe und weil es wieder heiß ist, koche ich auch Wasser für Früchtetee.
Nach der Pause steige ich über Wiesen zum Flesspass ab. Die Kühe sind inzwischen ins Val Torta entschwunden und so habe ich die drei Bergseen für mich alleine.
Durch das Val Torta zur Alp Fless Dadaint
Ich bleibe jedoch nicht lange, sondern folge den Kühen ins Val Torta. Am nächsten See überquere ich den Vereinatunnel der tief unter mir durch das Gebirge führt. Die Kühe liegen unweit des Wanderwegs und wiederkäuen das Gras vom Pass. Es sind einige Muttertiere mit Kälbern dabei. Bis zur Alp Fless Dadaint sind es rund 3 Kilometer. Sie liegt 300 Höhenmeter tiefer als der Flesspass. Es geht also abwärts entlang der Aua da Fless. Das Tal ist recht steinig und an einer Stelle verliere ich sogar den Weg.
Gegen 16 Uhr erreiche ich die Alp Fless Dadaint. Zwei Wanderer sitzen auf der Bank vor dem Haus. Ich quere die Aua da Fless über eine Brücke und gehe an dem Alpgebäude vorbei in den Anstieg zu den Jöriseen. Von der Ferne aus dem Val Torta heraus, habe ich mir einen Zeltplatz herausgeguckt. Auf einer Kuppe unterhalb eines Felsbandes auf 2300 Meter erhoffe ich einen Platz zu finden. Es zieht langsam schlechtes Wetter auf. Eine größere Gruppe kommt mir entgegen, die durch das Val Fless nach Röven absteigen wollen.
Noch ein paar Meter und ich erreiche die Stelle unterhalb der Steilwand. Die Kuppe ist sicher vor Steinschlag und das Zelt passt genau zwischen drei älteren Kuhfladen. Von Kühen selber ist weit und breit nichts zu sehen. Ich packe das Zelt aus und schaffe es noch zwei Heringe zu setzten, dann fallen schon die ersten dicken Tropfen. Ich rette mich mit meinem Rucksack ins trockene und schon beginnt der kräftige Regen, welcher schnell in Hagel übergeht. In einer Regenpause stelle ich das Zelt richtig auf und hole Wasser. Schon geht es wieder los. Es stürmt und donnert. Ein heftiges Sommergewitter tobt oben in den Gipfeln.
Im Steilhang auf der anderen Talseite sucht eine Kuhherde Schutz. Ich werfe den Kocher an und trinke einen heißen Cappuccino. Es grummelt weiter am Himmel als ein Hubschrauber tief durch das Tal fliegt. Auf dem Rückflug hängt jemand an der Long-Line. Erst denke ich, dass es einen Wanderer erwischt hat. Dann erkenne ich eine Kuh unter dem Helikopter hängen. Er kommt noch einmal zurück. Vermutlich um die Personen abzuholen, welche die Kuh angehängt hat. So langsam zieht das Gewitter weiter. Ich esse heute Jochens Wurstspätzle mit Käse zu Abend. Draußen regnet es weiterhin in Strömen und so gehe ich früh ins Bett.