Als ich morgens um 4 Uhr aus dem Zelt schaue, liegt Nebel über dem See und es ist richtig kalt. Das Thermometer zeigt wie gestern 3 °C an, doch die hohe Luftfeuchtigkeit lässt mich trotz des guten Daunenschlafsacks frösteln. Draußen hat bereits das morgendliche Vogelkonzert begonnen. Ich drehe mich noch einmal um und schlafe tatsächlich noch einmal ein. Eigentlich war der Plan, heute früh loszuwandern, aber daraus wird nichts. Immerhin komme ich um 9:30 Uhr los.
Wenn ich schon einmal ungewollt zu spät bin, dann laufe ich natürlich auch noch in die falsche Richtung. In dicht besiedelten Gebieten gibt es häufig ausgetretenere Pfade und ich verpasse die erste Abzweigung. Verkehrt wäre der Weg wohl auch nicht gewesen. So sehe ich aber noch ein weiteres Foto der Kunstausstellung. Durch eine Metallröhre geht es unter dem Landvettervägen hindurch direkt zu einem großen Parkplatz. Der nun leere Parkplatz gibt eine Vorstellung davon, was hier im Sommer los sein muss. Entlang des Uferwegs wandere ich zum Kåsjöns norra strand. Unterwegs nutze ich wieder die erste Mülltonne, um den Müll des letzten Tages zu entsorgen. Die Straße etwas entlang, dann geht es wieder auf einen schmaleren Weg durch den Wald, ich kreuze einen Fahrweg und dann stehe ich am Parkplatz mit dem Etappenschild Kåsjön. Bis Skatås sind es zehn Kilometer. Auf dem Getryggen möchte ich Mittag machen.
Der Wanderweg verläuft auf einem breiten Weg neben einer kleinen Asphaltstraße. Eine junge Frau überholt mich auf ihrer Schnellgeh-Runde. Während die Frau im blau-schwarzen Trainingsanzug zum Stora Kåsjön abbiegt, geht es für mich auf der Asphaltstraße weiter, die mich zum Wasserwerk führt. Das eingezäunte und kameraüberwachte Gebäude wirkt wenig einladend. An der Abzweigung zum Prästtjärnen wird gerade ein neues Hinweisschild für den Windschutz angebracht.
Schon bald wird der Weg schmaler und führt durch einen hügeligen Wald. Erneut überholt mich die junge Frau im schnellen Schritt. Ansonsten begegne ich niemandem. An einem Sonntag dürfte das anders sein. Nach zwei Kilometern lande ich auf einem breiteren Weg, der die Grenze zum Knipeflågsbergen naturreservat darstellt. In Sörlyckan lege ich an einem Picknicktisch eine Knäckebrotpause ein. Gleich neben dem Weg beginnen die Wohnhäuser.
Gut gestärkt wandere ich weiter zum Blacktjärn. Es geht bergan, als mir wieder jemand in einem blauen Jogginganzug entgegenkommt, der schnell geht. Ich frage mich, ob man in diesem Jogginganzug nicht laufen, sondern nur zügig gehen darf. Am Blacktjärn gibt es einen Rastplatz und einen Badestrand. Es ist alles etwas beengt, denn am Nordufer erheben sich hohe Felsen. Der Weg nimmt den ganzen Platz zwischen See und Felsen ein. Damit ich am neuen Windschutz auf dem Getryggen Mittag machen kann, muss ich hier nun Wasser bunkern. Ich filtere genug für die Pause, während ich von einem Ghettoblaster vom Felsen beschallt werde. Hier im Knipeflågsbergen naturreservat dürfte ich auch noch zelten, aber der Ort scheint sehr beliebt zu sein.
Mit ausreichend Wasser im Gepäck wandere ich weiter. Während Vildmarksleden und Bohusleden seit dem See Maderna die gleiche Route verlaufen, teilen sie sich am Fuße des Stora Getryggen. Ich bin irritiert, denn ich will auch da hoch. Ich schaue auf der Karte nach und siehe da, während der Vildmarksleden den direkten und steileren Weg nimmt, führt der Bohusleden in einer großen Schleife auf den Bergrücken. Die Frage, ob ich abkürzen soll, stellt sich mir eigentlich nicht, da ich den Bohusleden wandere. Ich gebe mir einen virtuellen Tritt in den Hintern und wandere weiter den Bohusleden entlang.
Die Grenze zwischen den Gemeinden Göteburg und Partille stellt auch die Grenze zum Delsjöområdet naturreservat da. Hier ist das Zelten nicht gestattet. Dies betrifft vor allem den gleichnamigen See, doch auch der Stora Getryggen gehört zum Gebiet. Um 13 Uhr erreiche ich die Rasthütte. Im Herbst 2024 brach von der alten Windschutzhütte Gött läge ein Feuer aus, das nicht nur die Hütte, sondern das gesamte Gebiet verbrannte. Die ersten Gräser leuchten grün aus der verbrannten Erde. Dazwischen liegen großflächige Felsen. Anstelle der Windschutzhütte, die zum Übernachten diente, wurde im Frühjahr 2025 eine Rasthütte erbaut, die sich nicht mehr zum Übernachten eignet.
Ich setze mich auf einen Felsen, genieße die Aussicht und koche mein Mittagessen. Es gibt heute Kartoffelsuppe und noch einen Tee. In Skatås kann ich meinen Wasservorrat wieder auffüllen. Als ich gerade einpacke, kommt eine ältere Dame den Berg hoch. Sie spricht mich an und fragt mich irgendwann, ob ich in Göteborg wohne. Als ich ihr antworte, dass ich aus Hamburg komme, spricht sie plötzlich Deutsch und sagt lachend: „Ich auch.” Sie ist vor 49 Jahren nach Schweden gekommen und ihre Tochter hat eine Wohnung in Göteborg. Die Pause wird somit etwas länger.
Von hier aus geht es hinab zum Härlanda tjärn und weiter zum Skatås Motionscentrum, von wo aus man das Ufer des Stora Delsjön erreicht. Die Route führt quasi einmal im großen Bogen um die ehemalige Mülldeponie Brudaremossen herum. Für das Sickerwasser wurde ein eigenes Reinigungswerk gebaut, bevor es über die normale Kanalisation weiter gereinigt wird.
Der Badplats Härlanda tjärn ist sehr schön. Obwohl er außerhalb des Naturreservats liegt, steht hier allerdings ein Schild mit der Aufschrift Camping förbjuden. Anscheinend macht eine Schulklasse gerade einen Orientierungslauf, denn immer wieder laufen kleine Gruppen mit einer Karte querfeldein durch den Wald. Ich muss irgendwie wieder an die umherschleichenden blauschwarzen Jogginganzüge denken. Diese Schüler tragen Alltagskleidung und haben offensichtlich Spaß.
Ich nähere mich dem Skatås Motionscentrum und passiere dabei große Sportfelder. Hier steht ein Toilettengebäude, an dem es auch einen Außenwasserhahn mit Trinkwasser gibt. Einziges Manko: Die Picknicktische stehen zu weit weg. Ich stelle meinen Rucksack ab und trinke erst einmal. Es ist inzwischen richtig warm geworden, und hier kommt das Wasser kalt aus der Leitung und schmeckt richtig gut. Eine gute Gelegenheit, noch einmal Wasser aufzufüllen, denn die Nacht will ich am Norra Långevattnet verbringen. Der See dient auch als Trinkwasserquelle und hat eine gute Wasserqualität. Ich benötige also nur für den Tag etwas. Gleich hinter der Toilette steht die Etappentafel für Skatås und der Weg biegt Richtung Stora Delsjön ab. Ich verzichte auf einen Besuch des eigentlichen Motionscentrums, in dem es auch ein Café geben soll, und wandere weiter. Es ist noch ein ganzes Stück bis zu meinem Ziel.
Der Bohusleden folgt nun einem breiten Fahrweg. Vorwiegend durch Wald und an der Skisprungschanze vorbei geht es weiter. Die 1,5 Kilometer ziehen sich irgendwie. Schließlich erreiche ich das Ufer des Stora Delsjön. Der Uferweg ist recht schön. Dann geht es wieder bergan durch einen Birkenwald. Kurz darauf erreiche ich die Kanuverleihstation Delsjön Kanotcentral. Im Mai ist hier nur am Wochenende geöffnet. Vorbei an Kanu- und Rudervereinen erreiche ich den Badeplatz. Leider hat der Kiosk noch geschlossen. Bei dem warmen Wetter wäre ein Eis gut gewesen. Etwas weiter den Storatorpsvägen entlang gibt es noch die Kaffestugan Lyckan, aber ein Blick auf die Uhr drängt mich, weiterzugehen.
Der Wanderweg, der am Westufer des Stora Delsjön entlangführt, ist breit, aber schön. Zwar drehen Jogger hier ihre Runden, aber je weiter ich nach Süden komme, desto weniger Menschen sehe ich. Über die Steganlage Stora Delsjön flytbro wird eine Bucht abgeschnitten. Vermutlich ist das besser so, denn weiter oben im Gelände gibt es einen Schießplatz. Was ich noch nicht weiß: Die Schüsse werden mich bis in den Abend hinein begleiten. In der Mitte der Brücke gibt es eine Badestelle mit Bänken und Leiter ins Wasser.
Bevor ich den See verlasse, wartet noch einmal ein kräftiger Anstieg auf mich, nach dem ich gleich wieder zum Ufer hinabsteigen kann. Dann erreiche ich den kleinen Parkplatz am Südende des Stora Delsjön. Bis zum Norra Långevattnet sind es noch rund zwei Kilometer. Der Verkehr rauscht laut auf der nahen Schnellstraße 40, die zum Flughafen führt. Anstatt eine Pause zu machen, wandere ich lieber gleich weiter.
Vor der Unterführung wechsle ich von Göteborg nach Mölndal. Der Bohusleden folgt der Straße ein kurzes Stück. Fußgänger und Radfahrer teilen sich den Fußweg, sodass ich aufpassen muss, nicht überfahren zu werden. An Stadtverkehr bin ich nicht mehr gewöhnt. Zum Glück komme ich unfallfrei bis zur Abzweigung. Der Bohusleden führt nun auf einem Waldweg hinauf auf ein Plateau. Ich wandere parallel zur Schnellstraße, die mal mehr, mal weniger zu hören ist. Johan hatte mir empfohlen, zum See Hörsickan zu wandern, aber ich bin eigentlich ganz froh, nicht mehr weit gehen zu müssen. Wir kommen Mountainbikern entgegen und dann erreiche ich das felsige Ufer des Norra Långevattnet.
Am Südende befinden sich der Vindskydd Norra Långevattnet und der Rastplatz Norra Långevattnet. Dazwischen befinden sich zwei Landzungen, auf denen man zelten kann. Ich bevorzuge die zweite, da ich mir dort mehr Lärmschutz verspreche. Als ich mich ihr nähere, ist sie jedoch besetzt. Was ich für Wanderer halte, sind vermutlich Angler die eine halbe Stunde später gehen. Aber bevor ich nichts habe gehe ich lieber wieder zurück. Auch auf einem Felsen im Wald gibt es ebene Plätze. Der Straßenlärm ist noch auszuhalten. Ich entferne die Kiefernzapfen von der Fläche und baue das Zelt auf.
Ich koche Spaghetti. Ich habe nicht mehr viel Gas, aber morgen Abend komme ich an einem ICA-Supermarkt in Lindome vorbei und übermorgen Nachmittag bin ich in Mölndal. Nach rund 20 Kilometern wünschen meine Füße sich eine Rast, und morgen wird es noch etwas länger. Ich liege schon im Zelt und lausche den Autos, Flugzeugen und den Gewehrsalven vom Schießplatz, als sich Wanderstöcke nähern. Ich höre, wie zwei Personen leise sprechen, dann entfernen sie sich wieder. So ein Zelt wird in Schweden eigentlich immer allein gelassen.