Abstieg von Njunni ins Kaskasavagge
Trotz der relativ späten Ankunft am Vorabend wache ich früh auf. In den nächsten Tagen soll das Wetter schlechter werden. Mein Plan ist heute von Njunni in das Kaskasavaggem abzusteigen, den Gaskkasjohka mittels Brücke bei der Notfallhütte zu queren, dann zum Pass zwischen Darfálčohkka und Darfálčorru aufzusteigen und nach Tarfala abzusteigen. Da es am Darfáljávri steinig ist, wollte ich mich zwischen einer Übernachtung in der Tarfalastugan oder den weiteren Abstieg entlang des Darfáljohka bis zu einer Zeltmöglichkeit entscheiden. Die Strecke ist nicht so lang, aber es erwartet mich ein 675 Meter Anstieg ab der Brücke und ein steiler Abstieg von rund 400 Höhenmeter vom Pass hinab nach Tarfala. Wenn das nicht genug Motivation ist aufzustehen.
Ich komme um 7:15 Uhr und damit diesmal richtig früh los. Ich quere die kleine Ebene Richtung Kaskasavagge. Hier an der Bergflancke des Palkastak (Bálggástačorru) wird es deutlich steiniger und dann liegt vor mir ein Geröllfeld. Dafür kann ich die ersten Berge entlang des Kaskasavagge sehen. Ich bin wieder in einer hochalpinen Umgebung angekommen, mit schroffer karger Landschaft. Zwischen Várdu und Kaskasatjåkka-Massiv (Gaskkasčohkka) werde ich aufsteigen. Auf der nördlichen Seite kommt der Nijbaš mit seinem grossen Gletscherfeld ins Blickfeld. Ich folge den Steinmännchen und freue mich als ich auf den Talgrund schauen kann. Der ist an diesem Ende deutlich grüner als befürchtet.
Der eigentliche Abstieg ist kurz und steil. Trotzdem melden sich meine Knie. Zum Glück lasse ich das Blockfeld schnell hinter mir und der seichte Abstieg über grüne Hänge beginnt. Ein kühler Wind zieht durch das Tal. Ich halte nach der Hängebrücke und der Notfallhütte Kaskavagge Ausschau. Beide fallen nicht besonders auf und als ich die Hütte erspähe, sehe ich auf der anderen Seite des Gaskkasjohka ein grünes Zelt.
Gegen 9 Uhr erreiche ich die Hängebrücke, die sich an einer Engstelle über den Gaskkasjohka schwingt. Zeit für eine Pause. Ich suche mir ein windgeschütztes Plätzchen und esse etwas. Anschliessend statte ich der Kaskavaggehütte einen Besuch ab. An der Tür hängt nicht nur eine Schaufel für den Winter, auch die Covid-19-Informationen hat die Zeit überdauert. Die Hütte hat zwei Holzpritschen und sieht nicht viel anders aus als die Mårmastugan. Allerdings ist die Übernachtung hier nur im Notfall erlaubt. Im Gästebuch entdecke ich den Schweden von Tältlägret wieder. Er ist also doch nicht den Trepassleden, sondern hier entlang gewandert und hat die Hochebene Čievrraláhku als Ziel angegeben. Während ich bei der Hütte bin kreuzen, die beiden Wanderer vom grünen Zelt über die Brücke auf meine Seite und veschwinden Richtung Njunni.
Erste Zweifel kommen beim Aufstieg zur Hochebene Čievrraláhku
Ich gehe zurück zum Rucksack und quere ebenfalls den Gaskkasjohka. Auf den nächsten 1½ Kilometer geht es rund 200 Höhenmeter hinauf zu dem kleinen See P1117 an der Westflanke des Várdu. es liegt einiges an Geröll im Hang, aber der Pfad schlängelt sich auf den grünen Flecken um die Steine herum.
Ich schleppe mich den Hang hoch und komme dabei gefühlt gar nicht vorwärts. Das Garmin bestätigt das Gefühl, auch wenn es nicht ganz so schlimm ist. Trotzdem schaffe ich nur knapp einen Kilometer pro Stunde. Gegen 11 Uhr komme ich zum See P1117. Ein kräftiger Wind weht. An seinem Ufer ist das Grün mit vielen Felsblöcken gesprenkelt. Einen schönen Platz für eine Pause finde ich nicht. Ich blicke noch einmal zurück zu den Bergen. dann passiere den See. Trotz dem inzwischen ebenen Gelände, fühle ich mich weiterhin energielos. Soll ich heute wirklich über den Pass nach Tarfala wandern?
Ich folge den Steinmänchen weiter und erreiche grüne Wiesen. Sie sind durch die Schneeschmelze recht feucht, aber es gibt einige ebene Plätze mit Windschutzmauern. Inzwischen kann ich den See P1112, südlich des Várdu sehen. An einem Bach mache ich Mittagspause. Eine Entscheidung muss her. Soll ich versuchen nach Tarfala zu gelangen oder weiter über die Čievrraláhku wandern. Beide Routen würden mich morgen zur Kebnekaise Fjällstation führen. Ich koche Asia-Nudeln und Tee. Die Route über die Čievrraláhku hatte ich mir nicht so genau angeschaut, aber sie ist auf meiner Fjällkarte eingezeichnet. Und ich erinnere, dass es am Čievrrajárvri Zeltmöglichenkeiten geben soll. Ich bin auf 1140 Meter Höhe, es sind also noch weitere 400 Höhenmeter bis zum Pass auf 1554 Meter. Ob der schneefrei ist bwz. wie der Abstieg auf der anderen Seite aussieht, weiss ich nicht. Die Route über die Čievrraláhku zweigt allerdings auch erst weiter oben ab. Und ich muss den Weg zur Brücke über den Darfáljohka finden. Ich bin hin und her gerissen und höre schliesslich auf meinen Bauch. Es geht also weiter über die steinige Hochebene Čievrraláhku.
Über die Čievrraláhku-Hochebene zum See Čievrrajárvri
So richtig glücklich bin ich mit meiner Entscheidung nicht. Es fühlt sich wie eine Niederlage an. Nach der Pause steige ich weiter auf. Ich bewege mich wieder über Geröll. Geröll soweit das Auge reicht. Eigentlich müssten hier irgendwo der Weg nach Süden abzweigen, aber ich sehe nur Steinmännchen die weiter nach oben führen. Auf 1260 Meter Höhe biege ich nach Süden ab. Vor mir ein Meer aus Steinen, eine Markierung ist Mangelware. Über mich ist Darfálčohkka mit grossen Schneefeldern. Weiter unten ist es ebener und nicht so steinig. Dort wo es ebener ist, sehe ich vier Wanderer mit Hund in die Gegenrichtung wandern. Bin ich zu weit nach oben gegangen?
Wirklich wissen werde ich es erst, wenn ich den Bergausläufer des Darfálčohkka überwunden habe und weiter nach Süden blicken kann. Diese Bergnase nimmt mir die Sicht und damit auch eine Entscheidung für eine bessere Route. In Ermangelung von Wegmarkierungen suche ich mir selber einen Weg und versuche dabei nicht zuviel an Höhe zu gewinnen.
Als ich den höchsten Punkt des Bergausläufer erreicht habe, kann ich weit nach Süden blicken. Vor mir liegen einige Schneefelder, die sich für einen schnelleren Abstieg eignen könnten. Zwischen mit und dem Čievrrajárvri liegen nicht nur einige Steine, sondern auch der Fluß vom Darfálčohkka, der laut Karte unterhalb des Darfálglaciären entspringt. Entlang der Bäche und See leuchtet es mir frisch grün und damit feucht entgegen. Aber auf Höhe des Čievrrajárvri sieht es auch weiter oben im Gelände nach Zeltmöglichkeiten aus.
Ich kann die Schneefelder wirklich für einen einfachen Abstieg nutzen. Sie sind noch fest genug, um gefahrlos über sie zu gehen. In gerade Linie erreiche ich so den Fluß vom Darfálčohkka. Er fliesst im Geröllbett und hat am Nachmittag ganz gut Wasser. Weiter oben versteckt er sich unter Schnee und weiter unten verzweigt er sich in noch mehr Arme. Der Hauptarm hat zuviel Wasser für meine Wanderschuhe. Ich wechsel in die Crocs und freue mich auf ein frisches Fußbad.
Hinter der Moräne versteckt sich ein willkommenes Schneefeld, das mich weiter Richtung Čievrrajárvri führt. Ich bin inzwischen um jeden Meter froh, den ich nicht über Geröll wandern muss. Es ist recht stürmisch geworden und der Wind hat mit dem Rucksack eine grosse Angriffsfläche. Endlich erreiche ich die Heideflächen am Čievrrajárvri. Auch hier gibt es Steine, aber das grün überwiegt. Am zweiten Fluss, der unterhalb des Čievrrajárvri in den Čievrrajohka mündet, suche ich nach einem Zeltplatz. Noch immer weht ein kräftiger Wind mit Windboen von 42km/h. Es dauert etwas bis ich einen ebenen Platz ohne Steine und etwas Windschutz finde.
Nach dem ich das Zelt nach der Windrichtung ausgerichtet aufgebaut habe steht es aber wie eine eins. Nachdem ich die Tage zuvor deutlich später zum Essen gekommen bin, gibt es heute Vegane Frikadellen mit Kartoffelpüree und Zwiebel. Ich rühre die Frikadellen an und lege die getrockneten Zwiebelstreifen in Wasser. Die Zwischenzeit nutze ich um den Fluß zu inspizieren, denn den muss ich morgen früh queren. Das Wasser fliesst teilweise über die Wiese. Ob der Wasserstand morgen auch noch so hoch ist? Ich gehe etwas hin und her, aber irgendein Arm ist immer zu breit und zu tief für meine Wanderschuhe.
Zurück am Zelt schmore ich die Zwiebeln in Butter und als die Frikadellen drann kommen, stelle ich fest, dass es einfacher mit meinem alten Kocher war. Der Optimus Vega hatte anscheinend etwas mehr Abstand zum Topf. Ich muss den als Pfanne verwendeten Deckel immer wieder vom Soto Windmaster runter nehmen, damit er nicht zu heiss wird und schwupp liegen die noch weichen Frikadellen mit Zwiebeln garniert auf dem Boden. Ich koche Wasser für das Kartoffelpüree und fange ich an zu retten was zu retten geht. Den Grossteil kann ich essen und so werde ich doch ganz schön satt.